Negatives Eigenkapital im Jahresabschluss – Was ist zubeachten?
Rund zwölf Prozent der Kapitalgesellschaften, die seit mehr als acht Jahren durchgängig aktiv sind, wiesen bereits vor der Corona Pandemie seit mindestens drei Jahren ein negatives Eigenkapital auf. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Unternehmen mit negativem Eigenkapital seither gestiegen ist und in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird.
Buchmäßige Überschuldung
Ist das bilanzielle Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht und übersteigt der Buchwert aller Schulden den Buchwert aller Vermögensgegenstände, liegt eine buchmäßige Überschuldung und somit ein negatives Eigenkapital vor. Eine buchmäßige Überschuldung kann unter bestimmten Voraussetzungen durch unterschiedliche Maßnahmen Dritter abgewendet werden. Dazu gehören neben Eigenkapitaleinzahlungen (wie bspw Gesellschafterzuschüsse) auch Finanzierungszusagen (wie bspw Patronatserklärungen) und Rangrücktrittserklärungen. Eine Finanzierungszusage muss (i) werthaltig, (ii) unwiderruflich, (iii) unbefristet und (iv) unbedingt sein. Durch eine Rangrücktrittserklärung erklärt der Gläubiger, dass seine Forderung erst nach der Beseitigung des negativen Eigenkapitals befriedigt wird und dass aufgrund seiner Forderung kein Insolvenzverfahren zu eröffnen ist.
Ein bloßes negatives Eigenkapital (buchmäßige Überschuldung) ist aber noch nicht mit einer insolvenzrechtlichen Überschuldung gleichzusetzen, die zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet. Ist das Eigenkapital negativ hat die Geschäftsführung vielmehr im Anhang zum Jahresabschluss zu erläutern, warum keine Überschuldung iSd Insolvenzrechts vorliegt. Eine positive Fortbestehensprognose kann als Begründung dafür dienen, dass keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt.
Insolvenzrechtliche Überschuldung
Die Insolvenzordnung enthält selbst keine Definition der insolvenzrechtlichen Überschuldung. Nach der Rsp ist eine insolvenzrechtliche Überschuldung anhand einer zweistufigen Überschuldungsprüfung zu ermitteln: Neben dem Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung (die von der buchmäßigen Überschuldung zu unterscheiden ist) ist zusätzlich auch eine negative Fortbestehensprognose erforderlich.
• Erstellung einer Überschuldungsbilanz (Prüfung der rechnerischen Überschuldung)
Zur Feststellung, ob eine rechnerische Überschuldung vorliegt, ist eine Überschuldungsbilanz (Überschuldungsstatus) aufzustellen. Im Rahmen der Überschuldungsbilanz ist, abweichend von der Erstellung des Jahresabschlusses, nicht von der Fortführung des Unternehmens auszugehen. Daher sind stille Reserven und stille Lasten aufzudecken. Bspw können selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte angesetzt werden, sofern eine Verwertbarkeit erwartet wird. Das Anschaffungskostenprinzip findet keine Anwendung.
Verbindlichkeiten sind dann nicht zu berücksichtigen, wenn der:die Gläubiger:in eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung iSd § 67 Abs 3 IO abgegeben hat. Im Falle einer rechnerischen Überschuldung ist eine Fortbestehensprognose zu erstellen.
• Erstellung einer Fortbestehensprognose
Mit der Fortbestehensprognose (bestehend aus Primär- und Sekundärprognose) wird ermittelt, ob künftig die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft aufrecht erhalten bleibt. Mit der Primärprognose ist die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit für die nähere Zukunft glaubhaft nachzuweisen. Sie enthält wichtige Informationen wie (i) die Planungsrechnung (Planbilanz, Plan-GuV, Plan-Cashflows, Finanzplan), (ii) die verbale Erläuterung von getroffenen Annahmen, (iii) den Nachweis von Kapitalmaßnahmen, etc. Mit der „Sekundärprognose“ ist glaubhaft darzulegen, dass durch die Maßnahmen in der weiteren Zukunft eine positive Entwicklung und die nachhaltige Trendumkehr zu erwarten ist.
Bei Erstellung der Fortbestehensprognose ist mit Hilfe sorgfältiger Analysen der Verlustursachen, eines Finanzierungsplans sowie der Zukunftsaussichten des Unternehmens die Wahrscheinlichkeit aufrecht bleibender Zahlungsfähigkeit zu prüfen. Eine positive Fortbestehensprognose hat darzulegen, dass das Unternehmen unter Einhaltung seiner Zahlungsverpflichtungen fortgeführt werden kann. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Überschuldung lediglich vorübergehend vorliegen kann.
Erläuterungen im Anhang bei negativem Eigenkapital
Bei negativem Eigenkapital sind umfassende Erläuterungen im Anhang aufzunehmen, warum keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt. Insbesondere sind aussagekräftige Informationen zu stillen Reserven, Gesellschafterzuschüssen, Rangrücktrittserklärungen, Forderungsverzichten und Patronatserklärungen aufzunehmen. Bei Erstellung eines Vermögensstatus werden betragsmäßige Angaben der zu Liquidationswerten ermittelten Aktiva und Passiva sowie der getroffenen Annahmen erforderlich sein. Im Rahmen einer positiven Fortbestehensprognose sind die zugrunde liegenden (wesentlichen) Prämissen zu erläutern.
Die Angaben im Anhang zum negativen Eigenkapital sind für alle Kapitalgesellschaften verpflichtend und beim Firmenbuchgericht offenzulegen, dies betrifft auch Kleinstkapitalgesellschaften, die grds keinen Anhang aufstellen und beim Firmenbuchgericht offenlegen müssen. Keine Erläuterung zum negativen Eigenkapital bzw eine fehlerhafte Darstellung im Anhang kann insbesondere zur Haftung gegenüber Gläubigern führen sowie strafrechtliche Folgen haben. Zumal die Angaben im Anhang dem Gläubigerschutz dienen und ein möglichst getreues Bild von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens darstellen sollen.
Rechnerische Überschuldungsbilanz und negative Fortbestehensprognose
Liegen sowohl die rechnerische Überschuldung als auch eine negative Fortbestehensprognose vor, sind die Voraussetzungen für eine insolvenzrechtliche Überschuldung iSd Insolvenzordnung erfüllt. Liegt demnach ein Insolvenzgrund vor, so ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber sechzig Tage nach dem Eintritt des Insolvenzgrundes durch den:die Schuldner:in ein Insolvenzantrag zu stellen. Bei Kapitalgesellschaften muss der Antrag durch den:die Geschäftsführer:innen bzw den Vorstand erfolgen. Wird der Antrag nicht rechtzeitig gestellt, kann dies eine Haftung bzw strafrechtliche Verfolgung des:der säumigen Geschäftsführers:in nach sich ziehen. Der exakte Zeitpunkt des Eintritts der Überschuldung und damit einhergehend der Beginn der sechzig Tage Frist ist in der Praxis oftmals schwierig festzustellen und daher strittig (wesentlich ist dieser vor allem im gerichtlichen Insolvenzverfahren im Hinblick auf die Anfechtung von Rechtsgeschäften).
Fazit
In der Praxis kommen eine buchmäßige Überschuldung und negatives Eigenkapital häufig vor. Es muss damit jedoch nicht zwingend auch ein Insolvenzgrund gegeben sein. Bei Vorliegen eines negativen Eigenkapitals besteht aber jedenfalls unmittelbarer Handlungsbedarf.
Patrick Mayrhuber, Rechtsanwalt, Deloitte Legal